Die Arbeit der Regierungskommission in 2024 – ein Rückblick
Die Kommission ist mehr als der Kodex: Diese Maxime hat auch die Arbeit der Regierungskommission in diesem Jahr maßgeblich geprägt. Dahinter steht der Anspruch, sich nicht darauf zu beschränken, ausschließlich am Kodex zu arbeiten. Es geht auch darum, Diskussionen und Impulse zu relevanten Themen anzustoßen. Und die Kommission möchte den Unternehmen mit praktischen Ideen und Tipps ein Angebot machen, ihre Corporate Governance im Alltag weiterzuentwickeln. Zu diesem Zweck wurde in diesem Jahr ein neues Format eingeführt: der Praxis-Impuls.
Und schließlich möchten wir mehr Transparenz über unsere Arbeit in der Kommission herstellen. Zu diesem Zweck haben wir diesen Jahresrückblick erstellt, der über die Schwerpunkte unserer Arbeit in 2024 informiert.
Zur Einordnung vorneweg: Die Kommission arbeitete in diesem Jahr weiter an drei programmatischen Schwerpunkthemen, zu deren Bearbeitung sie sich in drei Arbeitsgruppen aufgeteilt hat.
Die erste Arbeitsgruppe (Kodex) beschäftigt sich fortlaufend mit dem Kodex und der Frage, wie man ihn verständlicher machen, vereinfachen oder auch kürzen kann. Zu dieser Arbeitsgruppe gehören Dr. Daniela Favoccia, Dr. Nicolas Peter, Melanie Sack, Ingo Speich und Clara Streit (Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann bis Ende September).
Die zweite Arbeitsgruppe (Investoren) kümmert sich um den Dialog mit Investoren und Stimmrechtsberatern. Ziel ist es, mehr Verständnis für die deutsche Corporate Governance zu schaffen und einen Abgleich von Kodex und Investorenanforderungen vorzunehmen. In dieser Arbeitsgruppe arbeiten folgende Kommissionsmitglieder mit: Claudia Kruse, Dr. Bettina Orlopp, Marc Tüngler, Dr. Sebastian Schulte und Clara Streit (Dr. Michael Kemmer bis Ende Februar).
Die dritte Arbeitsgruppe (Aufsichtsrat) schließlich beschäftigt sich mit der Frage, wie man die Aufsichtsratsarbeit weiter professionalisieren und die Rolle von Aufsichtsräten noch effektiver gestalten kann. In dieser Arbeitsgruppe engagieren sich folgende Kommissionsmitglieder: Dr. Werner Brandt, Dr. Margarete Haase, Dr. Daniela Favoccia, Dr. Ariane Reinhart, Dr. Sebastian Sick, Ingo Speich, Clara Streit und Prof. Dr. Jens Weidmann.
Alle drei Arbeitsgruppen stehen in einem ständigen Dialog mit relevanten Stakeholdern. Darüber hinaus erzielt die Kommission wichtige Erkenntnisse für ihre Arbeit aus gezielten Umfragen und dem intensiven Austausch mit Aufsichtsräten, Vorständen, Professoren, Anwälten, Investoren und Stimmrechtsberatern.
Hier nun der kurze Rückblick auf die wichtigsten Aktivitäten in 2024.
Im ersten Quartal:
Das Mandat von Dr. Sebastian Sick in der Regierungskommission wird verlängert. Herr Sick ist Leiter Unternehmensrecht und Corporate Governance im Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung. Das Mandat von Dr. Michael Kemmer ist in diesem Jahr ausgelaufen.
Die Kommission wertet die Ergebnisse einer eigenen Umfrage unter DAX-40-Aufsichtsratsmitgliedern mit internationaler Gremienerfahrung aus. Gefragt wurde diese Zielgruppe nach ihren konkreten Erfahrungen in deutschen Aufsichtsräten mit der Aufforderung, die Vor- und Nachteile aus ihrer international vergleichenden Sicht zu benennen.
Plenarsitzung 5. Februar: Die Arbeitsgruppe Investoren stellt ein neues Format vor: den Praxis-Impuls zum Thema Hauptversammlung. Ziel ist es, den Unternehmen im bestehenden Rechtsrahmen Tipps zur effizienteren Durchführung ihrer Hauptversammlung zu geben.
Die Ergebnisse des externen Surveys internationaler Aufsichtsräte der DAX 40 Unternehmen werden diskutiert: Die Befragten erkennen an, dass es bei der Entwicklung guter Corporate Governance in deutschen Unternehmen Fortschritte gegeben hat.
Die überwiegende Mehrheit der Befragten kritisiert aber vor allem die Größe von deutschen Aufsichtsräten im DAX. Gremien mit mehr als 12 Mitgliedern sind aus internationaler Sicht nur eingeschränkt arbeitsfähig und erschweren das Entstehen einer Vertrauenskultur. Deutsch als Konzernsprache in einem Aufsichtsrat wird als weiteres Defizit angesehen ebenso wie die zum Teil mangelnde Qualifikation von Aufsichtsräten für die Ausübung ihrer Mandate.
Die Arbeitsgruppe Kodex hat bei ihren Prüfungen das Thema Vergütung priorisiert. In diesem Kontext gibt es Gespräche mit Aufsichtsräten, Vorständen, Vergütungsberatern und dem Arbeitskreis für nachhaltige Vorstandsvergütung. Dabei werden Punkte identifiziert, die bei der nächsten Kodex-Überarbeitung vereinfacht werden können.
Im März wird der erste Praxis-Impuls zum Thema Hauptversammlung veröffentlicht. Aus diesem Anlass gibt die Kommissionsvorsitzende Clara Streit ein Interview, das am 15. März in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erscheint.
Im zweiten Quartal:
Im April findet ein virtuelles Meeting der „Seven Chairs“ statt. Bei den „Seven Chairs“ handelt es sich um ein informelles Forum, in dem sich die Vorsitzenden von Corporate- Governance-Kommissionen oder -Ausschüssen aus sieben Ländern regelmäßig austauschen. Zu diesen Ländern gehören neben Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich.
Die Teilnehmer informieren sich gegenseitig über den aktuellen Stand ihrer Corporate Governance Kodizes und diskutieren darüber hinaus über Themen wie nachhaltige Unternehmensführung, Cybersicherheit und ESG-Rating-Agenturen.
Am 19. April findet in der Frankfurt School of Finance die Corporate Governance-Konferenz statt, die vom Deutschen Aktieninstitut, hkp, FEA und DIRK veranstaltet wird. Die Vorsitzende Clara Streit hält einen Impulsvortrag zum Thema: Corporate Governance - im Spannungsfeld von Transformation und Nachhaltigkeit.
Plenarsitzung 11. Juni: Die Arbeitsgruppe Investoren stellt den Erfahrungsbericht aus der diesjährigen HV-Saison vor. Breiten Raum nimmt dabei die Diskussion um die unterschiedlichen Positionen von Stimmrechtsberatern bei den Themen Unabhängigkeit von Aufsichtsräten und Cooling-Off-Perioden beim Aufsichtsratsvorsitzenden ein. Es besteht der Wunsch in der Kommission, zu diesen Themen eine klare Position zu beziehen.
Die Arbeitsgruppe Aufsichtsrat berichtet aus Expertengesprächen mit Professoren - unter anderem zu der Frage, welches Rollenverständnis für Aufsichtsräte bei der Begleitung von Strategieprozessen in Unternehmen zeitgemäß und sinnvoll erscheint – gerade mit Blick auf internationale Vergleiche. Daraus entstehen die Idee und der Auftrag, gemeinsam mit akademischen Experten einen neuen Praxis-Impuls zu entwickeln.
Am 12. und 13. Juni findet die „Böckler Konferenz für Aufsichtsräte 2024“ in Berlin statt. Veranstalter ist die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Die Vorsitzende Clara Streit hält einen Vortrag zum Thema: Nachhaltige Corporate Governance. In der anschließenden Podiumsdiskussion verweist sie auf die Notwendigkeit eines intensiven Dialogs mit Investoren. Denn dieser biete die Chance auf mehr Verständnis für das deutsche Modell der Mitbestimmung und das in Deutschland vorherrschende zweistufige System mit Vorstand und Aufsichtsrat.
Ende Juni erscheint in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Namensbeitrag von Clara Streit, der sich kritisch mit den Empfehlungen von Investoren und Stimmrechtsberatern zum Thema Unabhängigkeit, Mandatsdauer und Cooling-Off-Perioden auseinandersetzt.
Im dritten Quartal:
Am 15. Juli findet ein virtueller Workshop statt für alle Kommissionsmitglieder mit Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Frau Plattner ermöglicht dabei Einblicke in die Themen Cybersecurity und Künstliche Intelligenz aus der Perspektive von Aufsichtsräten.
Im Juli startet ein systematischer Austausch und Dialog mit großen internationalen Investoren und Stimmrechtsberatern. Dabei werden diese beiden Zielgruppen explizit nach ihrer Einschätzung zur deutschen Corporate Governance und zum Kodex gefragt.
Am 26. September kündigt die Kommission per Pressemitteilung die Neubestellung von Melanie Sack an. Frau Sack wird als Vertreterin der Wirtschaftsprüfer zum 1. Oktober als Nachfolgerin von Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann in die Kommission berufen.
Im vierten Quartal mit Ausblick auf 2025:
Plenarsitzung 4. November: Die Arbeitsgruppe Investoren stellt die Ergebnisse aus den Gesprächsrunden mit Investoren und Stimmrechtsberatern vor. Es wird positiv hervorgehoben, dass die Gespräche zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beitragen.
In der Sache jedoch bleiben bei relevanten Themen - wie zum Beispiel Kriterien für die Unabhängigkeit von Aufsichtsräten - weiterhin unterschiedliche Auffassungen und Positionen bestehen. Die Kommission möchte den Dialog und Austausch zu diesen Themen fortsetzen und weiterhin für ihre Positionen werben.
Die Arbeitsgruppe Aufsichtsrat präsentiert den Praxis-Impuls: Der Aufsichtsrat als strategischer Sparringspartner: ein Gewinn für das Unternehmen. Es ist ein Plädoyer und zugleich ein praktischer Ratgeber für eine aktivere Rolle des Aufsichtsrats in Strategieprozessen von Unternehmen. Der neue Praxis-Impuls soll im Januar 2025 veröffentlicht werden.
Im November findet in London ein weiteres Treffen der „Seven Chairs“ statt. Diskutiert wird unter anderem über die Frage, wie das Wirtschaftswachstum gefördert werden kann. Und welchen Einfluss EU-Gesetzgebung und Corporate-Governance-Kodizes auf die Wettbewerbsfähigkeit haben.